4
Apr
2009

Die erste Woche ist geschafft!

Nun, eigentlich war das ja noch nicht "ernsthafte Arbeit", sondern erst einmal ein Kennenlernen und eine Einführung.

Zu viel war los in dieser Woche, als daß ich die Muse gehabt hätte, ein echtes Tagebuch zu führen. Aber kurz möchte ich die Ereignisse doch mal zusammenfassen.

Pünktlich fuhr ich Sonntagmorgen mit der Deutschen Bahn (noch unter Mehdorns Führung) in Aachen ab. Die Fahrt mit Regionalexpress bis Köln und dem ICE bis München verlief unspektakulär. Noch nicht einmal Zeitgenossen, die sich danebenbenahmen, bereicherten die Einöde eines halbvollen Großraumabteils an einem Frühlingssonntag. Als Lektüre dienten mir die neuen Ausgaben des "Musikexpress" und des "Bergsteiger", letzteres vor allem, um mich auf die alpine Umgebung einzustimmen. Zwischendurch schickte sich das Wetter sogar an, tatsächlich frühlingshafte Sonnenstrahlen durch die Wolken zu schicken. Ab Stuttgart war dann rückwärtsfahren angesagt, was mich nicht sonderlich stört. Kurz vor Ulm setzte schliesslich Dauerregen ein und die nachwinterliche Landschaft in ihrem Einheitsbraun wirkte doch sehr trostlos. Da Bayern bis München sowieso ziemlich "unbayerisch" wirkt in Sachen Landschaft und Hausformen, versuchte ich zeitweise, ein Nickerchen zu machen, was mir erwartungsgemäss mal wieder nicht gelang.
In München musste ich dann das Gleis suchen, das mich meinen Ziel näherbringen sollte. Der Pfeil zeigte in Richtung Wand. Dort wird man dem Bahnsteig, ich glaube, es ist Nummer Sieben, entlang geschickt, gepäckbeladen gefühlt einen halben Kilometer Wegstrecke hinaus, dort befinden sich dann seitlich des eigentlichen Bahnhofes noch einmal sechs Gleise. An einem davon wartete auch schon der Regionalexpress nach Salzburg. Das Wort "Express" für diesen Bummelzug ist allerdings eher Hohn, hält der lustige Bandwurm doch an jedem zweiten Schuppen, manchmal mangels Ein- oder Ausstiegswilliger sogar völlig grundlos. Als Entschädigung für diese zeitraubenden Maßnahmen wird zu relativ fairen Preisen sogar Kaffee serviert, was ich in einem Regionalzug in Deutschland noch nie erlebt habe. Allerdings war die Plörre aus einer dieser berüchtigten "Seminarkannen" derart ungeniessbar, dass mein schon latent vorhandenes Sodbrennen eine Beförderung in Richtung Vorstandsvorsitzender (entspricht dem Adjektiv "unerträglich") erhielt. In Ermangelung jeder elektronischen Anzeigen im Wagenabteil versuchte ich, auf die live(!) eingesprochenen Stationsansagen zu achten. Die Kombination aus mässiger Tonqualität und feistem Dialekt des Sprechers liess diese Versuche aber im Keim scheitern. Irgendwann hörte ich dann endlich, inzwischen schneeregnete es draussen, etwas, das mit viel Phantasie "Nächster Halt Freilassing" hätte heissen können und verliess den Blumenpflückzug durch die oberbayerischen Landschaften. Nun musste ich nur noch die 50 Minuten in das Luftlinie 20km entfernte Berchtesgaden auf mich nehmen, wo ich dann von meinem Vorgänger schon erwartet wurde. Da wir uns vom Hochschulradio schon latent kannten, fiel die Begrüssung recht freudig aus und wir erklommen per französischem fahrenden Känguruh die Buchenhöhe. Dort hauste noch der tiefste aller Winter. Es schneite nach Herzenslust auf vorhandene 1-1,5m Altschnee, dass es eine wahre Freude war. Da die ortsansässige Beherbergungsadministration gleich zwei Zimmer für mich reservierte (nun gut, mittlerweile werden sie gesehen haben, daß ich NOCH nicht GANZ so körperlich umfangreich bin...) hatte ich die Qual der Wahl. Mit einem warmen Essen konnte ich aber doch nicht rechnen, so daß wir die einzige Gaststätte auf der Buchenhöhe, den HOLZKÄFER aufsuchten, wo ich dann meinen schon beträchtlich angestauten Hunger beseitigen konnte.

Der Montag begrüsste mich mit erdbebenähnlichen Stössen, die meine Schlafstätte in Wand und Boden erzittern ließen. Wie ich schnell herausfand, war der Urheber eine Schneefräse, welche die 30cm Neuschnee von den Wegen beseitigte und gegen die Hauswände schob. Willkommen im Spätwinter! Nach dem reichhaltigen Frühstück gab es zunächst einige administrative Dinge zu erledigen, bevor ich dann endlich das Studio von Radio Buchenhöhe zu sehen bekam. Nun...chaotisch, zusammengefrickelt, auf den ersten Blick fast undurchschaubar und mit einer "custom made" HF-Schleuder auf der Fensterbank...aber es funktioniert, und das zählt ja! Sogleich durfte ich auch die erste Sendung miterleben. Es gab Gothic und Artverwandtes. Morbides also gleich zum Start in diese Ära, na das kann ja heiter werden...nach einer kurzen Pause noch eine zweite Sendung mit Gitarrenmusik. Ich fordere schon am ersten Tag eine Anschaffung: Kaffeemaschine fürs Studio. Die Forderung wird erhört von "Die", einem der Azubis auf der Buchenhöhe, der zufällig gerade einen Besuch abstattete. Er hatte eine übrig, die spendete er ganz spontan dem Radio. Mein ewiger Dank sei ihm gewiss. Der zweite Abend verlief dann weniger gesellig, da das Wirtshaus als auch die internatsinterne Kneipe an diesem Wochentag die Pforten nicht aufzuschleussen gedenken.

Dienstag. Am Morgen steht nichts an, somit ist Ausschlafen angesagt. Das Limit setzte nur die Frühstückszeit, die im Hotel "Tupperland" auf der Buchenhöhe um 10 Uhr ihr Ende findet. Das Radio redet von Sonne und frühlingshaften Temperaturen. Der Blick aus dem Fenster zeigt nebelartige Wolkenfetzen, welche die von mir vermuteten Bergwände nach wie vor verhüllen. Es ist frisch, zu frisch für Ende März. Der zweite Tag bringt mir noch etwas Bürokratiekram. Im Studio steht nur eine Sendung auf dem Programm. Eine der Schülerinnen liest aus einem Buch vor. Hörbücher sind ja in. Da bleibt mir nicht viel zu tun, ausser zuhören. An diesem Abend hatte wenigstens das "Exil" geöffnet, wo es Hopfenkaltschalen und eine erstaunlich leckere Tiefkühlpizza zu äusserst zivilen Preisen gab.

Mittwoch. Juhuu! Die Sonne scheint. Die Berge sind tatsächlich vorhanden. Gegenüber strotzt der Untersberg in die Höhe, rechts oben glänzt das Führerhaus auf dem Kehlstein in der Morgensonne. Sofort fängt es an zu tauen. Es trieft von den Dächern, Bächeweise saust das Wasser herab und bahnt sich seinen Weg. Ein eindrückliches Erlebnis und Timo ist glücklich, nach fünf Monaten Winter den Frühling zu erblicken. Es wollte noch ein Beitrag für die abendliche Sendung auf "Bayernwelle Südost" geschnitten werden. Das erledigte mein Vorgänger und Mentor für diese Woche, Timo, souverän. Ich lernte dabei das Schnittprogramm "samplitude" kennen, das sich nur marginal von dem mir bekannten "Audition" unterscheidet. Sehr schön. Gegen 16 Uhr dann der Aufbruch von der Höhe. Dazu musste zuerst ein Fahrzeug aus dem CJD-Fuhrpark reserviert werden. Dieses stand pünktlich parat (was leider nicht immer der Fall sein soll), doch auf der Talfahrt brachte uns eine Holzfällaktion noch eine 15-minütige Pause ein. Nach dem Aufgabeln der Nachwuchsmoderatorin von der benachbarten "Eliteschule des Sports" (ebenfalls eine CJD-Einrichtung) ging es dann nach Freilassing. Andere Kategorie Studio. Digitalkonsole, virtuelle Cart-Maschine etc...ein Musikarchiv, das eher auf die Präferenzen des Mainstreamkonsumenten ab 40 aufwärts ausgelegt ist und rundherum zahlreiche nette Menschen. Und eine Espressomaschine. Die Sendung läuft hervorragend, die Beiträge sin perfekt vorbereitet, die beiden jungen Moderatoren liefern gute Arbeit ab und Markus von der Bayernwelle bedient souverän die Technik. Da haben wir uns doch angesichts der frühlingshaften 21° das erste Eis der Saison verdient! Zurück am Berg werde ich noch im Holzkäfer auf der Speisekarte mit der Leibspeise meiner Kindheistage überrascht: Leberspätzlesuppe! Verständlich, dass ich da nicht nein sagen konnte...

Donnerstag
Die letzten bürokratischen Hürden klären sich. Ich kann nun doch die Wohnung meines Vorgängers übernehmen und muss nicht in eine WG ziehen. Erleichterung macht sich breit. Timo wird mit Frotschreiten des Tages immer wehmütiger, sein Abschied von der Buchenhöhe und "seinen", ich nenne sie jetzt mal fabulös "Radioküken", naht. Seine Abschiedssendung fängt um 19 Uhr an. Über zehn Mädels und Jungs versammeln sich im Studio. Chaos on air, ein spassiges Chaos, doch gegen Ende fliessen dann doch Tränen. Ein emotional aufgewühlter Tag, besonders für die jungen Menschen, die nach sieben Monaten ihren liebgewonnen "Prakti" gehen lassen und sich nun mit mir anfreunden müssen. Timo wird mit Geschenken überhäuft, doch auch mir scheinen sie nicht unfreundlich gesinnt. Puh! Glück gehabt.

Freitag
In aller Herrgottsfrühe holt Timo den Mietwagen in Freilassing. Punkt 9 Uhr kehren wir der Buchenhöhe den Rücken. Timo für immer, ich für zwei Wochen. Frühlingswetter begleitet uns bis Aachen, wo wir zur Abenddämmerung eintreffen.

Ich darf nun bis zum 20.4. besorgen:
- ein ärztliches Attest
- ein polizeiliches Führungszeugnis
- ein kirchliches Zeugnis
- einen Nachweis der Krankenkasse
ein nicht ganz alltäglicher Papierstapel für drei Monate Praktikum, das muss man schon sagen...aber mei, wenn's schee macht! Huch, ich rede schon bairisch. Südostbayern hat schon Spuren hinterlassen. Naja, so lange ich Ende Juli nach etwa 100 Tagen Obersalzberg nicht so daherkomme: http://www.youtube.com/watch?v=z_JB9Tu3QMo">
mag es ja noch angehen.
Viel Arbeit wird mich erwarten bei Radio Buchenhöhe, aber sicher auch viel Spaß. Denn wo kann man schon vom ersten Tag an einen Radiosender leiten? Und wenn es auch nur ein kleiner ist, das manchmal etwas sprunghafte Team ist immerhin hochmotiviert. Und dass sie auch noch hochqualifiziert werden, das ist dann ja schliesslich meine Aufgabe. Vielleicht werde ich dann nebenbei noch etwas Zeit finden, den Bergfrühling zu geniessen? Schön wäre es, denn auch wenn die Buchenhöhe wirklich am Wurmfortsatz der Welt angesiedelt ist, die Landschaft rund um Watzmann, Königssee und Untersberg ist wunderschön. Als erstes werde ich nun einen DSL-Anschluss beantragen...den brauche ich da glaub nötiger denn je, auch wenn es nur 384kBit gibt.
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Peter Schwarz auf 950m ü. NN

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